Eine „Bucket-List“ ist eine nach belieben erweiterbare Freizeit-ToDo Liste. Bei ambitionierten Rennradfahrern beinhaltet sie meistens die weltbrühmten Anstiege wie das Stilfser Joch, Alp d’Huez oder den Col du Galibier. Wenn es eine richtige Herausforderung werden soll erweitern der Monte Zoncolan in Italien oder der Alto de Angliru in Spanien, sie zählen zu den härtesten in Europa, die „mindestens einmal im Leben“ Ausfahrten. Doch all diese asphaltieren Pässe reichen nur bis zu einer Höhe von maximal 2500 Meter über dem Meer. Zieht man nun auch andere Länder in Betracht in denen es sich hervoragend Fahrrad fahren lässt, liest man von monumentalen Anstiegen die weit über 3000 vertikale Meter zu überwinden haben.
An Taiwans Ostküste, bei der Taiwan KOM Challenge, erwartet die Teilnehmer so ein Megaanstieg. Die Eckdaten um von Meereshöhe auf die Wuling Passhöhe zu gelangen sind:
-84 Kilometer Länge
-3485 Höhenmeter (Passhöhe 3275 Meter)
-Rampen mit 12 – 27% Steigung
-ein 10 km langes Finale mit durchschnittlich 10% Steigung
Diese Werte sind bei erster Betrachtung schwer vorstellbar, nachdem es auf der Insel aber mehr als 250 Erhebungen über 3000 Meter gibt, wird es leicht nachvollziehbar. Der Wuling Pass ist Taiwans höchstgelegene Strasse.
Für eine deratige Beanspruchung kommt nur das leichteste Material in Frage. Alle Möglichkeiten Gewicht am Körper, Bekleidung, Rad und Laufrädern zu reduzieren werden ausgenutzt.
Das Rennen startet um 6 Uhr früh an der Pazifikküste am Stadtrand von Hualien mit einer 18 km langen neutralisierten Phase. Die Temperaturen untertags liegen bei angenehmen 25°C nur geringfügig höher als in der Nacht, somit war es vom Start weg eine „Kurz-Kurz“ Angelegenheit. In der zweiten Reihe hinter aktiven und zurückgetretenen Profis wie Laurens Ten Dam und Emma Pooley, ging Felix sehr gut positioniert ins Rennen. Die Sonne ging über dem Horizont langsam auf, es herrschte wenig Nervosität im Peleton.
Bis Kilometer 18 wurde eingrollt und die Stimmung genossen, dann nach der Brücke über den Fluss Shilin fällt der Startschuss. Die Taktik für den ersten Teil des Rennens über die kurzen Rampen und leicht ansteigenden Zwischenstücke hieß: Dranbleiben so lang es geht und Sinn macht. An der Spitze wurde erwatungsgemäß ein hohes, aber unregelmäßiges Tempo angeschlagen. Die stufenförmigen Wellen in die Taroko Schlucht verlangten zeitweise 400 Watt um den Kontakt zur ersten Gruppe halten zu können. Bei km 38 habe ich mich für mein eigenes Tempo entschieden und bin noch einige Zeit mit einer kleineren Gruppe mitgefahren. Die Gruppe mit zwei erfahrenen Locals peilte eine Zeit von 4 Stunden an.
Aus der atemberaubbenden Schlucht mit hundert Meter hohen Felswänden, schlängelt sich die enge Strasse ins offenere, sonnige Gelände und bietet sensationelle Ausblicke über das Tal. Die Wattwerte pendeln zwischen 250 bis 270 Watt und die Temperaturen steigen noch. Die Windungen der Serpentinen schrauben sich unaufhörlich in die Höhe und bald stehen schon 2000 Höhenmeter auf dem Garmin.
Die tropische Vegetation zu Beginn des Rennens weicht zunehmend Nadelbäumen, bis zu dem lang erwarteten Tunnel, der die kurze Abfahrt zur Guanyuan Tankstelle einleitet. Eine mehr als willkommene Abwechslung, denn ab der Labestation beginnt vielen Aussagen nach „das zweite Rennen“. Es sind weitere 15km bis zur Ziellinie und die Steigung nimmt immer weiter zu. Es hat mittlerweile frische 15°C bei kräftigem Sonnenschein und konstantem Wind. Der Schutz der Bäume nimmt ab. Die verbleibenden 10 Kilometer stellen die Teilnehmer vor konstante 10% bergauf und dort wo die Luft schon richtig dünn wird, wartet eine 800 Meter lange Prüfung mit 27%. Selbst mit einer bergtauglichen Übersetzung von 34-32 fällt die Kadenz stark ab, das Risiko einen Krampf zu erleiden oder sogar sein Rad zu schieben zu müssen ist hoch. Durch das konservative Pacing im mittleren Teil hatte Felix noch Reserven zur Verfügung die bis zu einem kurzen Flachstück knapp vor dem Ziel reichten. Mit der Passhöhe im Blickfeld wird der letzte Kilometer zur fast nie endenwollenden Tortur. Der Wiegetritt schmerzt und die Atmung ist hastig, doch die Euphorie und der Ehrgeiz drehen die Kurbel und Laufräder weiter.
Vom Einbiegen in die Taroko Schlucht bis zur Zielline auf 3275 Meter vergingen 4 Stunden 35 Minuten bei einer Normalized Power von 251 Watt. Im internationalen Vergleich mit einer hohen Leistungsdichte konnte sich Felix auf Rang 109 von 576 Teilnehmern platzieren. Zu den Resultaten geht es hier.